Der erste Besuch eines Raddampfers der jungen k.k. Kriegsmarine in Teneriffa.

Wie schon Kamerad Prof. Dieter Winkler in der Flagge   Heft 2 / 2007   in seinem Bericht über die Reise Erzherzog Ferdinand Max nach Südamerika (1859/60) dankenswerterweise schrieb, besuchte der neu in Dienst gestellte Raddampfer Elisabeth auf seiner Fahrt nach Südamerika Teneriffa. Winkler führt aus, „dass die „Elisabeth“ in England bei der Werft Money, Wigram & Sons, in Blackwell gebaut wurde und am 15. 7. 1854 vom Stapel lief. Mit einer Verdrängung von 1.600 t hatte er eine Länge von 68 m, eine Breite von 10,16m (ohne Radkästen) sowie einem Tiefgang von 4,36m. Als Antrieb besaß er eine stehende Zweizylinder – Niederdruck Dampfmaschine mit max. 1151 PS und Schaufelräder von 7,50m Durchmesser“. Er schreibt weiter, dass die Elisabeth am 22. Dezember 1859 nach schwerer Sturmfahrt Teneriffa erreichte.  

Ich möchte seinen Bericht nun mit den spanischen Quellen, die ich im Archiv des Rathauses von Puerto de la Cruz und im Zeitungsarchiv der Zeitung „El Dia“ gefunden habe, erweitern und ergänzen.  

In den Morgen­stunden des 17.(?) Dezember 1859, einem Samstag, so schreibt der spätere Bürgermeister des kleinen Hafens Puerto de la Cruz an der Nordküste Teneriffas, Álvarez Rixo, tauchte aus dem Morgen­nebel der schimmernde, schwere Rad­-Dampfer „Elisabeth“ der k.k. Kriegs­marine auf. Sechzehn Matrosen pullten mit ­kräftigen Ruderschlägen den Tender des Kriegsschiffes an Land. Österreichische ­Marineinfanterie bezog auf der Anlege-Mole Stellung und präsentierte ihre Extrakorpsgewehre. Acht noble Herren betraten den Boden von Puerto de la Cruz, die den Wunsch äußerten, in Puerto Quartier zu beziehen und Teneriffa zu besichtigen. Begleitet von voll bewaffneten Marine-Infanteristen gingen sie das kurze Stück zu Fuß zum Hotel des Herrn Pedro Aguilar an der Plaza de la Constitución (heute Plaza del Charco) Nummer 9 (Rincon del Puerto), der einzigen damals herzeigbaren Unterkunft für ausländische Touristen. Unter den Ankömmlingen befanden sich zwei äußerst markante Gestalten: Die eine mittleren Alters, hochgewachsen, mit einem zweigeteilten Bart und großen Augen, dem Gehabe nach ein hochgestellter Marineoffizier; die andere in den Zwanzigern, elegant, mit langem roten Bart und intensiv durchdringenden, blauen Augen. Dieser und sein Gefolge bezogen die Zimmer. Der Hotelbesitzer lief zum britischen Konsul, Mr. Andres Goodall, der daraufhin sofort im Hotel erschien, um den fremden Gästen seine Aufwartung zu machen und seine Dienste im Herstellen hiesiger Kontakte anbot.

Das Inkognito der Herrschaften wurde nicht gelüftet, ­sie erfreuten sich am Gitarre-Spiel eines schnell engagierten Künstlers. Die Lieder gefielen außerordentlich, manche musste der Hotel­besitzer dem seltsamen jungen Aristokraten ins Franzö­­sische übersetzen, der die Texte daraufhin in sein Tagebuch eintrug. ­Álvarez Rixo, der Chronist Puertos, bemerkt dann noch, dass sich der Sekretär des Rathauses, Nicolás H. Escobar, der schon auf dem Dampfschiff die erste amtliche Untersuchung geleitet hatte, zu den Gästen gesellte, dass die Stimmung immer übermütiger wurde und auch die hochgestellten Herrschaften in einige Gesänge einfielen. Als tags darauf, am Morgen des 18., der behandelnde Arzt des erkrankten Maximiliano Aguilar (der Sohn des Hotelbesitzers), Dr. Victor Pérez im Hof erschien und den Vornamen sei­n­es jungen Schützlings „Maximiliano“ rief, ­herrsch­te plötzlich Unruhe und Erstaunen in der österreichischen Reisegesellschaft, die sich aber bald legte, als man den botanischen Garten Puertos besuchte. Der junge Adelige überraschte durch seine Kenntnis der verschiedenen Pflanzen, die er großteils in Latein  benennen konnte. Anschließend besuchte die Gesellschaft den Hauptort des Tales, La Orotava, wo sie die aufmerksamste Betreuung durch den Marqués de Celada, Don Diego Benítez de Lugo, erfuhren. Gemeinsam besuchten sie den Garten der Herren von Franchi, des Marqués de Candia, und später die Herren von Monteverde. Dabei besichtigten sie den damals ältesten Drachenbaum Teneriffas, den schon Alexander Humboldt beschrieben hatte. 1870 fiel dieser Riese einem Gewittersturm zum Opfer. Am späteren Abend kehrten sie, eskortiert von ihrer Wachmannschaft, wieder in das Hotel von Pedro Aguilar zurück. Beim Aufsuchen seiner Räumlichkeiten fragte der junge Adelige den Besitzer Don Pedro Aguilar, ob er in seine Diensten treten wolle, es würde sein Schaden nicht sein. Don Pedro entschuldigte sich sehr und gab alle seine Gründe an, die ihn am Verlassen von Puerto de la Cruz hinderten, war aber sehr geschmeichelt von der Offenheit und der herzlichen und familiären Art dieses jungen Mannes, dessen Herkunft ihm so rätselhaft war.

Am nächsten Morgen, verabschiedeten sich die Gäste und trugen sich in das Gästebuch des Hotels ein. Dabei geschah folgendes: Der Seeoffizier mittleren Alters entpuppte sich als der österreichische Seeoffizier Wilhelm von Tegetthoff, der junge Ade­lige unterschrieb lediglich mit Josef Selleny, Österreich. Beim Abschied fiel ­je­­doch von einem der Gepäckstücke eine kleine metallene Plakette, auf der jedoch Erzherzog Ferdinand Max eingraviert war. Der junge Adelige schenkte sie dem Hotelbesitzer großzügig, verabschiedete sich herzlich, und die gesamte Gesellschaft ritt zu Pferd in Richtung El Sauzal, wo sie in bereit gestellte Kutschen umstiegen, um dann in Santa Cruz ihren Dampfer wieder wohlbehalten zu besteigen. Auf eindringliches Befragen des Marqués de Celada, Don Diego Benítez de Lugo, und erst nach Vorweisen der Metallplakette bestätigte dieser mündlich und später auch schriftlich, dass der hohe Besuch niemand anderer gewesen sei als der Bruder seiner Majestät des Kaisers von Österreich, Franz Josef I, Erzherzog Ferdinand Maximilian , Generalgouverneur der Lombardei und Venetiens, und Kommandant der k.k.österreichischen Kriegsmarine. Zu diesem Zeitpunkt wusste der junge Mann noch nicht, dass er in wenigen Jahren von schlechten Beratern und vom Ehrgeiz seiner jungen Gemahlin (Charlotte, Tochter Leopolds I, des Königs von Belgien) getrieben werden würde, sich auf ein wahnwitziges Abenteuer in Mexiko einzulassen. Von diesem traurigen Kapitel österreichischer Geschichte konnte der Erzherzog bei seinem heiteren Aufenthalt in Puerto de la Cruz noch nichts ahnen. Der lustige Abend im Hotel des Pedro Aguilar war sicher einer der entspanntesten ­Momente im Leben des streng erzogenen Jünglings. Wer konnte ahnen, dass er acht Jahre später in einem Sarg, notdürftig mumifiziert und mit den Glasaugen einer Heiligenfigur aus Queretaro versehen, auf der österreichischen Schraubenfregatte  Novara, die kanarischen Inseln noch einmal passieren würde. Im Januar 1868 wurde er unter großer Anteilnahme der Wiener Bevölkerung in der Wiener ­Kapuzinergruft, neben all seinen ­Ahnen, im Alter von 35 Jahren zur ­letzten Ruhe gebettet. Auch auf diesem Wege begleitete ihn, so wie in ­Teneriffa, der österreichische Seeheld, Wilhelm von Te­gett­hoff . Auf seinem Besuch in Teneriffa war Tegetthoff noch Korvettenkapitän und nicht als diensthabender Kapitän des österreichischen Schiffes eingeteilt. Er besuchte damals, als Begleitung des Erzherzogs, den brasilianischen Kaiser Dom Pedro II., um Außenhandelsverträge mit Österreich-Ungarn abzuschließen. Diese Übersee-Reise, bei der der junge Erzherzog die Äquator­taufe erhielt, endete im März 1860 ebenfalls friedlich vor der Küste Istriens. Am 7. April 1871 haucht der öster­reichische Seeheld nur 44jährig sein Leben aus.

Der von Erzherzog Ferdinand Maximilian verwendete Inkognito-Name Josef Selleny ist mehr als ein Jux. Josef Selleny war ein bekannter österreichischer Marinemaler, der die Reise nach Brasilien als Illustrator begleitete. Das Werk Selleny’s war fruchtbar.
Schon kurz vorher hatte er die Weltumseglung der Novara mitgemacht. Viele seiner Gemälde zieren die österreichischen Sammlungen, unter anderem das  Heeresmuseum.

  Zurück nach Teneriffa.
Die Nachricht von der brutalen Ermordung des jungen Erzherzogs im Jahre 1867 erfüllte die Belegschaft des Hotels in Puerto de la Cruz und den Chef Pedro Aguilar mit tiefer Trauer. Im Hause der Aguilars in Santa Cruz wird noch heute das Andenken an diese Begebenheit, die Metallplakette, die Eintragung in das Gäste­buch und die Bestätigung des Marqués’ de Celada hoch in Ehren gehalten.

  Prof. Hans König / El Sauzal Teneriffa